Deutsche Revision und spanischer Recurso de casación – Zwei Wege zur höchsten Instanz im Zivilrecht
- Saskia Porta, LL.M.
- 16. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Wer ein Zivilurteil in zweiter Instanz für ungerecht hält, hofft oft auf den Gang zur höchsten gerichtlichen Instanz – dem Bundesgerichtshof in Deutschland oder dem Tribunal Supremo in Spanien. Doch wie kommt man dahin? Und welche Unterschiede gibt es zwischen den beiden Rechtsmitteln – der deutschen Revision und dem spanischen Recurso de casación?
Gemeinsamkeiten der beiden Rechtsmittel
Sowohl die Revision als auch der Recurso de casación sind das zutreffende Rechtsmittel, um ein zivilrechtliches Urteil der zweiten Instanz anzugreifen. Dabei wird nur die rechtliche Bewertung des Berufungsgerichts überprüft. Die bereits festgestellten Tatsachen und die dazugehörige Beweisaufnahme sind nicht mehr mit der Revision oder dem Recurso de casación angreifbar.
Die Rechtsmittel erfüllen in Deutschland und Spanien die gleiche Funktion im Rechtssystem: durch die Revision und den Recurso de casación soll die richtige Anwendung des Rechts und die Einheitlichkeit der Rechtsordnung sichergestellt werden.
Bei beiden handelt es sich um sogenannte „außerordentliche“ Rechtsmittel. Das heißt, sie können nicht automatisch nach einem Berufungsurteil eingelegt werden, sondern müssen ausdrücklich zugelassen werden. In diesen Zulassungskriterien finden sich die entscheidenden Unterschiede zwischen diesen Rechtsmitteln.
Die deutsche Revision – streng begrenzt und klar geregelt
Die Revision muss durch das Gericht der zweiten Instanz – oder in Ausnahmefällen vom BGH selbst – zugelassen werden. Diese Zulassung erfolgt nur, wenn
• eine grundsätzliche Rechtsfrage betroffen ist,
• das Urteil von der bisherigen Rechtsprechung abweicht oder
• das Urteil zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung notwendig ist.
Das bedeutet: Nur wenige Fälle kommen bis zum BGH. Die Hürde ist hoch, um die Gerichte zu entlasten und nur wirklich für die Wahrung einer einheitlichen Rechtsordnung relevante Fälle weiterziehen zu lassen.
Die spanische Recurso de casación – breiter zugänglich, aber komplexer
Der Zugang zur Recurso de casación ist breiter gefasst als in Deutschland. Der zentrale Schlüsselbegriff heißt „Interés casacional“ – das „kassatorische Interesse“.
Ein solches Interés casacional wird bejaht, wenn:
• es zu einer bestimmten Rechtsfrage unterschiedliche Urteile in Spanien gibt,
• das Thema grundsätzlich und rechtlich relevant ist oder
• ein Urteil gegen verfassungsrechtliche oder europäische Vorschriften verstößt.
Das mag ähnlich klingen wie die deutsche Revisionszulassung – ist in der Praxis aber etwas flexibler und breiter ausgelegt.
Ein anschauliches Beispiel ist das Urteil des spanischen Tribunal Supremo vom 21. Januar 2025 (Az. STS 211/2025). Darin ging es um die Frage:
Kann ein Unternehmen, das von einem Lkw-Kartell betroffen war, pauschal einen Schaden in Höhe von 5 % des Kaufpreises fordern – oder muss es diesen Schaden genau beweisen?
Die Frage war deshalb „revisionswürdig“, weil:
• sie in Spanien uneinheitlich beantwortet wurde und
• viele ähnliche Fälle betroffen waren (auch Verbraucher und Unternehmen).
Der Interés casacional wurde also anerkannt – und das Verfahren zum Recurso de casación zugelassen.
Fazit: Zwei Länder, zwei Wege zur Rechtsvereinheitlichung
Sowohl in Deutschland als auch in Spanien dienen die höchsten Zivilgerichte der Einheit und Weiterentwicklung des Rechts. Während der Zugang in Deutschland sehr strikt über die Zulassung geregelt ist, bietet das spanische System mit dem „Interés casacional“ eine etwas offenere Tür – insbesondere bei Themen mit europäischem Bezug oder allgemeiner gesellschaftlicher Relevanz.
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