I. Das neue Erbrecht der Balearen ist im Januar 2023 in Kraft getreten; das Ley de sucesión voluntaria paccionada o contractual, auf Deutsch in etwa „Erbrecht durch Vereinbarung oder durch Vertrag“.
Da es in den letzten Jahren vermehrt zur Inanspruchnahme von Erbverträgen zu Lebzeiten gekommen ist, erschien es notwendig, vor allem im Hinblick auf die steigende Lebenserwartung, neue Anpassungen an die erbrechtlichen Möglichkeiten vorzunehmen, um die Arbeit der Gerichte durch spezifischere Regelungen zu erleichtern. Eine Erbschaft zu Lebzeiten ist im spanischen Zivilgesetzbuch (Código Civil) nicht nur nicht vorgesehen, sondern sogar verboten. Allerdings haben die Balearen in Teilen abweichende Regelungen vom Código Civil getroffen, weshalb das neue Erbrecht der Balearen eine Besonderheit im spanischen Recht ist.
Da die Balearen ein solches Konstrukt wie den Erbvertrag bereits vor dem neuen Gesetz kannten, kam es oft zu Fehlinterpretationen der erbrechtlichen Verfügungen. Das neue Erbrecht soll solchen Komplikationen nun entgegenwirken, um eine dynamische Gestaltung der erbrechtlichen Bedürfnisse zu ermöglichen.
Nun gibt es drei Wege zu erben:
• durch Testament
• sofern ein Testament nicht vorliegt: mithilfe der bisherigen gesetzlichen Regelungen oder
• durch eine Erbschaft zu Lebzeiten.
Vor allem im Hinblick auf die steigenden Lebenserhaltungskosten kann es sinnvoll sein, bereits durch eine Erbschaft zu Lebzeiten Vermögen an Familienangehörige wie beispielsweise Kinder zu übertragen, um wichtige Ereignisse wie z.B. den Start ins Erwachsenenleben oder zur Gründung einer Familie zu erleichtern.
Ein weiterer Vorteil einer Erbschaft zu Lebzeiten ist, dass bei einer Erbschaft lediglich 1% der Steuern anfallen, wohingegen bei einer Schenkung bislang 7% angefallen sind. Derjenige, der also bis zu 700.000 Euro erbt, muss nun nur noch den geringeren Steuersatz erbringen. Bei der Erbschaft zu Lebzeiten entfällt die erhöhte Steuer grundsätzlich auch für ausländische Inselresidenten (genauere Ausführungen zu Residenten auf der Insel finden Sie unten).
Je nach Gemeinde spart man sich eventuell noch die Wertzuwachssteuer, die sog. Pulsvalía. Hier kommt es jedoch darauf an, in welcher Gemeinde das Erbe angetreten wird.
Eine Regelung der Erbschaft zu Lebzeiten kann zudem vor allem Familienstreitigkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls vermeiden. So wird auch dem Willen des künftigen Erblassers ausreichend genüge getan, denn dieser kann ausdrücklich (nicht nur durch Hinterlassen eines Schriftstücks) kundtun, was genau er möchte.
II. Das Gesetz unterscheidet einerseits zwischen den Inseln Mallorca und Menorca sowie Ibiza und Formentera. So kann auf die jeweiligen Gegebenheiten der Inseln gesondert eingegangen werden.
Im Hinblick auf Mallorca und Menorca gibt es nun drei verschiedene Formen der Erbschaft zu Lebzeiten:
1) Donación UniversalHierbei wird das gesamte Vermögen auf einen Beschenkten übertragen. Dieser wird dann sog. Universalerbe. Eine verwandtschaftliche Beziehung ist nicht erforderlich. Die Universalschenkung kann während Lebzeiten oder erst nach dem Tod des Schenkers wirksam werden:
a. Im ersten Fall erfolgt die Übertragung der vorgesehenen Vermögenswerte als Volleigentum.
b. Im zweiten Fall, erst nach Tod des Schenkers, behält sich der Schenker den Nießbrauch auf Lebzeiten vor und der Erbe erwirbt nur das bloße Eigentum bzw. das mit Nießbrauch belastete Eigentum an den vorhandenen Vermögenswerten, die nach dem Tod des Erblassers in das Volleigentum übergehen.
2) Definicion Limitada a la legitimaHierbei wird die Möglichkeit geschaffen, dem rechtmäßigen Erben eine Schenkung, Zuwendung oder Entschädigung zukommen zu lassen. Im Gegenzug hierzu verzichtet der Erbe auf seinen rechtmäßig zustehenden Pflichtteilsanspruch.
3) Definición AmpliaIm Gegenzug zur Definicion Limitada a la legitima verzichtet der Erbe nicht nur auf den Pflichtteilsanspruch, sondern auf jedes Recht aus dem Erbe, wobei er hierbei als Gegenleistung die Schenkung erhält.
Es kann auch mehrere Begünstigte geben. Zudem können bestimmte Vermögenswerte aus der Schenkung ausgeschlossen oder weitere Klauseln wie Stellvertretung, Bedingungen oder Beschränkungen hinzugefügt werden. Sofern Sie dies wünschen, kann dies bei einer umfassenden Rechtsberatung besprochen und notiert werden.
Sofern der Begünstigte vorversterben sollte, so führt dies nicht zum Verfall des geschenkten Vermögens. Der Schenker erhält ein Rücktrittsrecht und kann das Vermögen ganz oder teilweise wieder zurücknehmen. So kann beispielsweise eine übertragene Immobilie sich selbst oder jemand anderem zugeführt werden.
III. Auch für Residenten und Nicht-Residenten aus anderen Ländern kann sich durch das neue Erbrecht einiges ändern:
Artikel 36 der EU-Erbrechtsverordnung (Nr. 650/2012) besagt, dass für im Ausland ansässige Personen das allgemein gültige Zivilrecht gilt; die hiervon abweichenden Gesetze sind nicht auf ausländische Personen anzuwenden.
Dies bedeutet, dass grundsätzlich abweichende Gesetze wie das der Balearen auf Residenten und Nicht-Residenten nicht anzuwenden ist, da es vom spanischen Zivilrecht (Codigó Civil) abweicht. Da es jedoch im Codigó Civil das Rechtsinstitut der Erbschaft zu Lebzeiten nicht gibt, ist eine Erbschaft zu Lebzeiten für ausländische Personen auf der Insel laut EU-Verordnung weiterhin nicht möglich.
Grundsätzlich war für die Errichtung eines spanischen Erbvertrages notwendig, dass man den Status des „vecindad civil balear“ innehat, was man an sich nur durch die Geburt auf den Balearen mit spanischer Nationalität erhielt. Dieser Zusatz wurde im neuen Gesetz gestrichen, weshalb nun die Frage aufkommen könnte, ob sich auch Residenten und Nicht-Residenten auf das Erbrecht der Balearen berufen könnten.
Anfang 2021 schien es dann eine Kehrtwende zu geben, als ein Urteil diese Auslegung verworfen und klargestellt hat, dass auch ausländische Bewohner der Balearen sich auf solche Vorschriften berufen können.
Allerdings wurde dann Anfang 2022 von der Generaldirektion für Rechtssicherheit festgehalten, dass die Anwendung eines vom spanischen allgemeingültigen Gesetz abweichenden Gesetzes für Ausländer auch weiterhin nicht zulässig ist.
Daher besteht weiter Streit darüber, ob sich ausländische Residenten und Nicht-Residenten auf die Vorschriften des Balearischen Erbrechts berufen können.
Da wir die aktuelle Rechtslage weiterhin im Blick behalten, erscheint es sinnvoll, sich vor Erstellen eines solchen Erbvertrages zu Lebzeiten im Hinblick auf das neue spanische Erbrecht rechtlichen Rat einzuholen.
Sollten Sie hierzu Fragen haben oder einen Erbvertrag erstellen möchten, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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