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  • AutorenbildDominic John Patrick Porta, LL.M.

Rechtliche Grundlagen, Ablauf und Kosten eines Klageverfahrens nach spanischem Recht

I. Wie läuft ein Klageverfahren in Spanien ab?


In der spanischen Zivilprozessordnung, dem sog. Ley Enjuiciamiento Civil 1/2000 vom 07. Januar 2000 (im Folgenden: LEC) wird grundsätzlich zwischen einem ordentlichen Verfahren und einem mündlichen Verfahren differenziert, vgl. Art. 248 Abs. 1 LEC. Das ordentliche Verfahren ähnelt in seinem Ablauf dem deutschen Klageverfahren vor den Zivilgerichten. Es handelt sich dabei um ein schriftliches Verfahren, bei dem beide Parteien zunächst Schriftsätze an das Gericht übersenden. Diese Schriftsätze enthalten sowohl den Sachverhalt, den die jeweilige Partei ihrer rechtlichen Beurteilung und der Klage zugrunde legt, sowie die rechtliche Würdigung dieses Sachverhalts. Insbesondere ist der Streitwert, also die Höhe der geltend gemachten Forderung anzugeben, siehe Art. 253 LEC. Da es sich in aller Regel nur um den einzigen Schriftsatz handelt, der von den Rechtsanwält:innen eingereicht wird, ist dieser entsprechend umfangreich.


Anschließend findet in aller Regel ein sog. Gütetermin statt. An diesem Termin nehmen ausschließlich die Rechtsanwält:innen ohne die Mandant:innen teil. Dieser Termin dient der Klärung offener prozessualer Fragen, wie etwa der Verjährung, und soll eine Beweisaufnahme vermeiden, vgl. Art. 414 Abs. 1 LEC. Kommt es jedoch zu keiner Einigung, so terminiert das Gericht im Anschluss an den Gütetermin eine mündliche Verhandlung. In dieser mündlichen Verhandlung findet dann regelmäßig die Beweisaufnahme nach Art. 431 LEC statt. Zulässige Beweismittel sind die Vernehmung beider Parteien, öffentliche Urkunden, private Urkunden, Sachverständigengutachten, gerichtlicher Augenschein und die Vernehmung von Zeug:innen, Art. 299 LEC. Die Verhandlung endet mit dem mündlichen Schlussvortrag der Parteien, der eine Zusammenfassung der Tatsachen und Beweismittel und eine vorgeschlagene Lösung enthält, Art. 432 LEC. Schließlich entscheidet das Gericht dann in der Sache durch ein Urteil.


Der Ablauf des mündlichen Verfahrens ist deutlich kürzer. Diese Verfahren dient der Beschleunigung des Prozesses und soll mehrere Verhandlungstermine vor Gericht vermeiden. Dementsprechend reicht nur eine Partei, die Klägerseite, einen Schriftsatz mit der geltend gemachten Forderung bei Gericht ein, woraufhin dieses einen möglichst zeitnahen Verhandlungstermin bestimmt, ohne die Erwiderung der Gegenseite abzuwarten. Die Beklagtenseite stellt ihre Sicht der Dinge dann mündlich in diesem Termin dar. Auch hier entscheidet das Gericht durch ein Urteil.


II. Wann muss ich ein ordentliches Verfahren und wann ein mündliches Verfahren führen?


Welches Verfahren zu führen ist, richtet sich zunächst nach dem sog. Streitgegenstand, der sich aus dem Sachverhalt und dem geltend gemachten Antrag zusammensetzt. Es gibt besondere Thematiken, die immer nur in einem der beiden Verfahren verhandelt werden. So bestimmt Art. 249 Abs. 1 LEC, dass in dem ordentlichen Verfahren stets Ansprüche Im Zusammenhang mit dem Recht der persönlichen Ehre, der Anfechtung von Gesellschaftsbeschlüssen oder Ansprüchen im Rahmen von unlauterem Wettbewerb, unabhängig von dem Wert der eingeklagten Forderung, verhandelt werden. Das mündliche Verfahren hingegen ist gem. Art. 250 Abs. 1 LEC etwa für Forderungen wegen nicht gezahlter Mieten, für Fälle, in denen entweder die Erlangung des vollständigen Besitzes über Grundstücke oder die Verteidigung des Eigentums angestrebt wird, oder es um Unterhaltszahlungen geht, einschlägig.


Nach Art. 248 Abs. 2 Nr. 1, 249 Abs. 2 LEC ist in allen übrigen Verfahren mit anderen Streitgegenständen das ordentliche Verfahren und nicht das mündliche Verfahren dann statthaft, wenn der Streitwert 6.000,00 EUR übersteigt. Umgekehrt wird das mündliche Verfahren hingegen bei einem Streitwert von unter 6.000,00 EUR geführt. Wie sich der Streitwert eines Verfahrens festsetzt, bestimmt wiederrum Art. 251 LEC. Nach dieser Vorschrift ist für die Bestimmung des Streitwerts der Wert der Forderung oder der Wert des umstrittenen Gegenstands maßgeblich. Handelt es sich bei dem Streitgegenstand etwa um eine Immobilie im Wert von beispielsweise 500.000,00 EUR, so ist das ordentliche Verfahren zu führen, da die Grenze von 6.000,00 EUR überschritten wurde.


III. Wo ist die Klage in Spanien einzureichen?


Gem. Art. 399 LEC wird das Verfahren bei dem örtlich zuständigen Gericht durch die Erhebung einer Klage eingeleitet. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den Art. 50 ff. LEC. Grundsätzlich ist demnach das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte oder die Beklagte wohnt, vgl. Art. 50 Abs. 1 LEC. Allerdings gibt es auch besondere Zuständigkeiten, die in Art. 52 LEC geregelt sind. Danach ist beispielsweise bei Immobilien stets das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich der umstrittene Gegenstand, also die Immobilie, befindet, vgl. Art. 52 Abs. 2 LEC.


IV. Was muss die Klage und die Klageerwiderung enthalten?


In formaler Hinsicht muss die Klageschrift die Daten beider Parteien, deren zustellungsfähigen Anschriften sowie die konkreten Tatsachen und die Rechtsgründe nummeriert und getrennt beinhalten. Sämtlicher Sachvortrag seitens der Kläger:innen muss bereits in der Klageschrift erfolgen. Sie endet mit dem entsprechenden Klageantrag. Bei der Erhebung der Klage ist die Besonderheit der spanischen Zivilprozessordnung, nämlich die Figur des sog. Procuradors zu beachten. Die Erhebung der Klage darf gerade nicht von durch die Mandant:innen aufgesuchten und bevollmächtigten Rechtsanwält:innen erhoben werden, sondern muss durch den Procurador eingereicht werden, vgl. Art. 399 LEC. Die Procuradoren sind durch das Gericht bevollmächtigte Jurist:innen, deren Aufgabe sich auf die Abwicklung des Prozesses beschränkt, wie aus Art. 3 des königlichen Erlasses 1281/2002 vom 5. Dezember 2002 zur Genehmigung des Allgemeinen Statuts der spanischen Gerichtsanwälte hervorgeht. Die ausgewählten Rechtsanwält:innen dagegen sind wiederrum ausschließlich für die Beratung, die Erstellung der Klageschrift und das Halten des Plädoyers zuständig.


Auf die Einreichung der Klage hin, kann die Beklagtenseite eine Klageerwiderung, auch Widerspruch genannt, einreichen, welche innerhalb einer Frist von 20 Werktagen ab Zustellung der Klageschrift bei dem zuständigen Gericht eingehen muss, Art. 404 Abs. 1, 405 LEC. Welche Partei die Beweislast für welche vorgetragenen Tatsachen trägt, regelt Art. 217 LEC.


V. Was geschieht, wenn eine Partei nicht vor Gericht erscheint?


Sofern keine der Parteien zu der mündlichen Verhandlung erscheint, erlässt das Gericht einen Beschluss über die Einstellung des Verfahrens, Art. 414 Abs. 3 LEC. Ein solcher Beschluss ergeht auch dann, wenn nur der Rechtsbeistand der Klägerseite säumig ist, es sei denn, der oder die Beklagte macht geltend, dass ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens besteht, damit eine Entscheidung in der Sache herbeigeführt werden kann, Art. 414 Abs. 4 LEC. Erscheint nur eine der Parteien, so wird das Verfahren mit dieser Partei durchgeführt und das Gericht entscheidet durch Urteil.


VI. Wann erhalte ich das Urteil?


Das Urteil wird innerhalb einer Frist von 20 Tagen verkündet, Art. 436 Abs. 1 LEC. Das Urteil der ersten Instanz ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, sofern nicht eine Ausnahmeregelung nach Art. 525 LEC greift, welche nur ausnahmsweise einschlägig ist. Mit dem Urteil kann daher ohne weitere Zwischenschritte die Zwangsvollstreckung, im Fall einer Immobilie auch deren Zwangsversteigerung, betrieben werden.


VII. Wie kann ich gegen das Urteil vorgehen?


Gegen das Urteil der ersten Instanz kann nach Art. 455 Abs. 1 LEC Berufung eingelegt werden, sofern es sich nicht um ein Urteil handelt, das in einem mündlichen Verfahren ergangen ist. Gegen Urteile im mündlichen Verfahren ist allein die Beschwerde möglich, die auf Verfahrensfehler gegründet werden kann, vgl. Art. 468 ff. LEC. Die Berufung ist innerhalb einer Frist von 20 Tagen nach der Zustellung des Urteils einzulegen und zu begründen, Art. 458 Abs. 1 LEC.


VIII. Welche Kosten entstehen?


Im Rahmen des Klageverfahrens entstehen verschiedene Kostenpositionen. Die Prozesskosten setzen sich nach Art. 241 LEC insbesondere aus den Honoraren der Prozessvertreter:innen (Rechtsanwält:innen und Procurador), Sachverständigen, Entschädigung für Zeug:innen und Gerichtsgebühren zusammen. Wesentlicher Unterschied zwischen den Honoraren der Rechtsanwält:innen und des Procuradors ist, dass Rechtsanwält:innen das Honorar mit den Mandant:innen, angelehnt an die sog. Criterios Orientativos Baleares, frei vereinbaren können, während sich die Höhe des Honorars des Procuradors nach einer einheitlichen Gebührenordnung richtet. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Honorare jeweils für jede Partei anfallen.


IX. Wer trägt diese Kosten?


Art. 394 bis 398 LEC regeln, welche Partei die Kosten des Verfahrens tragen muss. Grundsätzlich trägt die unterlegene Partei, deren Anträge vollständig abgewiesen wurden, die Kosten des Verfahrens, es sei denn, der Fall wirft ernste tatsächliche oder rechtliche Zweifel auf, die der Klärung bedürfen, Art. 394 Abs. 1 LEC. Die Parteien tragen ihre eigenen Kosten sowie die gemeinsamen Kosten je zur Hälfte, sofern den Anträgen nur teilweise stattgegeben wird bzw. diese teilweise abgelehnt werden, Art. 394 Abs. 2 LEC.


X. Wie hoch sind die anwaltlichen Kosten?


Die anwaltlichen Kosten können grundsätzlich individuell vereinbart werden. Viele Anwält:innen orientieren sich dabei jedoch an den sog. Criterios Orentativos Baleares. Die Höhe der Kosten richtet sich entsprechend diesen Normen nach dem zugrunde zu legenden Streitwert und einem davon zu ermittelten prozentualen Wert, der im Einzelfall den Criterios Orientativos Baleares entnommen wird. Bei einem fiktiven Streitwert von 500.000 EUR, dem Wert einer Immobilie, betragen die Anwaltskosten beispielsweise 37.800,00 EUR.


XI. Wie hoch sind die Gebühren des Procuradors?


Ab einem Streitwert von 2.000,00 EUR, muss neben dem Anwalt auch der Procurador (siehe oben), bezahlt werden. Die Gebühren des Procuradors sind im königlichen Dekret 1373/2003 vom 7. November 2003 zur Genehmigung der Gebührenordnung für Gerichtsanwälte geregelt. Bei einem fiktiven Streitwert von 500.000,00 EUR betragen sie daher 1.428,00 EUR, vgl. Sección 1, Artículo 1 des Dekrets 1373/2003 vom 7. November 2003.


XII. Wie hoch sind die Verfahrenskosten der Zwangsvollstreckung?


Zu den Kosten, die innerhalb des Gerichtsverfahrens entstehen, fallen weitere Kosten für das Zwangsversteigerungsverfahren an. Die Höhe der Anwaltsgebühren richtet sich danach, ob die gegnerische Partei Widerspruch gegen die Klage erhebt oder nicht. Sollte die gegnerische Partei die Klageforderung unstreitig zugestehen, so betragen die Anwaltsgebühren nach den Vorgaben der Criterios Orientativos der Balearischen Rechtsanwaltskammer (vgl. I. A. 8) 50 % der Kosten, in Summe daher 18.900,00 EUR bei einem Streitwert von 500.000,00 EUR. Sofern jedoch mit einem Widerspruch / einer Klageerwiderung der Gegenseite zu rechnen sein dürfte, betragen die Gebühren 80 % der Kosten, beginnend mit 450,00 EUR. Diese betragen dann in Summe beispielsweise 30.240,00 EUR. Auch der Procurador muss im Zwangsversteigerungsverfahren erneut bezahlt werden. Seine Kosten liegen bei einem Streitwert von 500.000,00 EUR bei 1.428,00 EUR. Sowohl die Anwaltsgebühren als auch die Kosten des Procuradors sind aufgrund der Zweiteilung des Verfahrens in den gerichtlichen Teil und die Zwangsvollstreckung je zweimal zu tragen.


XIII. Gerichtskosten


Anders als im deutschen Recht sind die Gerichtskosten nicht zu tragen. Nach Art. 119 der spanischen Verfassung, wonach „die Gerichtsbarkeit kostenfrei sein soll, wenn das Gesetz dies verfügt und grundsätzlich im Falle von Personen, die ihren Mangen an Mitteln zur Prozessführung nachweisen“ und dem Urteil Nr. 140/2016 des Verfassungsgerichts tragen nur juristische Personen die Gerichtsgebühren. Natürliche Personen haben diese demnach nicht zu zahlen.


XIV. Wie lange dauert ein solches Verfahren ungefähr?


Die Dauer eines Verfahrens lässt sich nicht verbindlich bestimmen. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass ein Verfahren vor dem Zivilgericht in erster Instanz eine Verfahrensdauer von mindestens einem Jahr, jedoch im Regelfall weit darüber hinaus, hat.



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