Viele gehen heutzutage davon aus, dass sie als überlebender Ehegatte in einer kinderlosen Ehe im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge grundsätzlich auch ohne Testament Alleinerbe werden. Dies ist jedoch oftmals nicht der Fall.
Wer erbt („Erbfolge“), wird gesetzlich angeordnet, wenn kein Testament existiert oder der Verstorbene, auch Erblasser genannt, in seinem Testament explizit auf die gesetzliche Erbfolge verwiesen hat. Aber was regelt denn die gesetzliche Erbfolge genau? Anhand eines Beispiels ist dies besser zu verstehen. Ein Ehepaar hat keine Kinder. Als die Ehefrau F verstirbt, fragt sich ihr überlebende Ehemann M, wer sie beerbt und wer wie viel erbt. Die Eltern der F sind bereits verstorben, jedoch hat die F noch zwei Schwestern.
Der Grundsatz der gesetzlichen Erbfolge des deutschen Erbrechts besagt, dass der überlebende Ehegatte neben Verwandten erster Ordnung zu einem Viertel erbt und neben Verwandten zweiter Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte.
Verwandte erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers, also insbesondere seine Kinder. Währenddessen sind Verwandte zweiter Ordnung vor allem die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also normalerweise die Geschwister des Erblassers. Die Geschwister werden aber erst dann zu Erben, wenn mindestens ein Elternteil bereits verstorben ist.
Der M würde also neben Kinder zu 25% erben, neben Eltern oder Geschwistern der F zu 50%. Da die F keine Kinder hatte und ihre Eltern bereits verstorben sind, würde nach diesem Grundsatz der M zu 50% erben und die Schwestern der F würden zusammen die anderen 50% erben, also jede von ihnen 25%.
Dieser Grundsatz erfährt jedoch Abweichungen, je nachdem welchem Güterstand die Ehe unterliegt. Unter dem Begriff des Güterstandes ist die Regelung bezüglich der Verwaltung des Vermögens während der Ehe und dessen Aufteilung nach Scheidung oder nach dem Tod eines Ehegatten zu verstehen.
Haben die Ehegatten keine Vereinbarung im Rahmen eines Ehevertrages bezüglich des Güterstandes getroffen, so liegt automatisch der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft vor. Hier ist zu beachten, dass sich der Erbteil des überlebenden Ehegattens bei der gesetzlichen Erbfolge pauschal um 1/4 erhöht. Dies hat zur Folge, dass der M in unserem Fall neben den Schwestern der F nicht mehr nur 50% des Erbvermögens erbt, sondern 75%. Die Schwestern der F erben insgesamt 25%, also 12,5% pro Person.
Bei der Gütertrennung bleibt es jedoch bei dem oben erläuterten Grundsatz. Im Rahmen der Gütertrennung bleiben die Ehegatten jeweils Alleineigentümer des vor, aber auch nach der Heirat erworbenen Vermögens. Nach der Scheidung oder dem Tod eines Ehegatten findet kein Zugewinnausgleich statt. Der M erbt demnach 50 % und die Schwestern der F die anderen 50%.
Beim letztmöglichen Güterstand, der Gütergemeinschaft, ist zu berücksichtigen, dass es verschiedene Vermögensmassen gibt. Es gibt zum einen das Gesamtgut. Unter dem Gesamtgut ist das Vermögen zu verstehen, das die Ehegatten in die Ehe miteingebracht und während der Ehe erwirtschaftet haben. Es ist also das gemeinschaftliche Vermögen der Ehegatten. Das gemeinschaftliche Vermögen wird vor der Beendigung der Gütergemeinschaft nicht geteilt, d. h. kein Ehegatte kann über seinen Anteil am Gesamtgut oder an einzelnen Gegenständen allein verfügen.
Daneben gibt es noch das Sondergut jedes Ehegatten. Es ist dabei vom Gesamtgut ausgeschlossen, und jeder Ehegatte verwaltet sein Sondergut selbständig. Zum Sondergut gehören Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, so z.B. Nießbrauch, unpfändbare Gehalts- und Rentenansprüche, Gesellschaftsanteile. Einkünfte aus dem Sondergut gehören jedoch zum Gesamtgut.
Zum Schluss gibt es noch das Vorbehaltsgut jedes Ehegatten. Das ist auch wieder vom Gesamtgut ausgeschlossen. Zum Vorbehaltsgut gehören insbesondere die durch Ehevertrag bestimmte Gegenstände, die ein Ehegatte von Todes wegen oder durch unentgeltliche Zuwendung eines Dritten erwirbt und dieser oder der Erblasser bestimmt hatten, dass der Erwerb des Gegenstandes Vorbehaltsgut werden soll. Zum Vorbehaltsgut gehören auch die Einkünfte aus dem Vorbehaltsguts.
Hier kommt auch der oben genannte Grundsatz zum Tragen. In unserem Fall erbt der M also die Hälfte des Sondergutes, die Hälfte des Vorbehaltsgutes und im Ergebnis ein Viertel des Gesamtgutes.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass nach dem deutschen Erbrecht bei einem kinderlosen Paar ohne anderslautende Bestimmung im Testament oder Erbvertrag der überlebende Ehegatte nie Alleinerbe wird, wenn der Erblasser Geschwister hat und diese noch am Leben sind.
Wohnt nun das Ehepaar in Spanien, so ist darauf hinzuweisen, dass seit 2015 das spanische Erbrecht zur Anwendung kommt, wenn der Erblasser in Spanien seinen letzten Wohnsitz hatte und er kein Testament errichtet hat, mit dem er eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts ausgesprochen hat.
Nach dem spanischen Erbrecht hat der überlebende Ehegatte grundsätzlich nur einen Anspruch auf Nießbrauch, also ein Nutzungsrecht an einem Drittel des Nachlasses. Primär sind die Abkömmlinge (Kinder oder Enkel) des Erblassers seine Erben. Wenn diese nicht vorhanden sind, dann erben die Vorfahren des Erblassers, also insbesondere dessen Eltern. Sind weder Abkömmlinge noch die Eltern des Erblassers vorhanden, so wird der überlebende Ehegatte Alleinerbe. Geschwister gehören nach dem spanischen Erbrecht zur Seitenlinie und sind erst dann erbberechtigt, wenn auch kein Ehegatte vorhanden ist.
Der überlebende Ehegatte kann jedoch daneben Ansprüche aus der Ehe haben, wobei diese abhängig von dem jeweils gewählten Güterstand sind. Im spanischen Recht gibt es als gesetzlichen Güterstand den „régimen de participación“, welcher der deutschen Gütergemeinschaft am ehesten nahe kommt. Vereinfacht gesagt werden im Rahmen dieses Güterstandes (mit Ausnahme wie Erbschaften) alle Erträge und Gewinne Gemeinschaftseigentum, werden von den Ehegatten gemeinsam verwaltet und der überlebende Ehegatte hat bei Auflösung der Ehe Anspruch auf die Hälfte. Beim Güterstand der Gütertrennung („separación de bienes“) hat der Ehegatte keine Ansprüche aus der Ehe und es bleibt bei dem Nießbrauch an einem Drittel des Nachlasses. Schließlich gibt es noch die „sociedad de gananciales“ (sog. Errungenschaftsgemeinschaft), die am ehesten mit der deutschen Zugewinngemeinschaft zu vergleichen ist. Hierbei bleibt den jeweiligen Ehepartner das vor der Begründung der Ehegemeinschaft erworbene Vermögen allein vorbehalten („bienes privados“). Zum Vorbehaltsgut gehört auch durch Schenkung und Erbschaft Erworbenes. Das während der Ehe erworbene Vermögen gehört zum Gesamtgut („bienes gananciales“).
Nach dem spanischen Erbrecht wird der M in unserem Beispiel also Alleinerbe der F. Dies geschieht unabhängig vom Güterstand.
Im spanischen Zivilrecht muss jedoch beachtet werden, dass das spanische Zivilgesetzbuch (Código Civil) nicht für alle Regionen Spaniens im Ganzen anzuwenden ist. Vielmehr gibt es das vorrangige Foralrecht (Derecho Foral). Dies ist zum Beispiel auf den Balearen und somit auf Mallorca der Fall.
Das mallorquinische Erbrecht wendet jedoch zum größten Teil das spanische Erbrecht an. Es gibt aber Besonderheiten, die zu beachten sind. Zum Beispiel hat der überlebende Ehegatte neben den Abkömmlingen einen Anspruch auf Nießbrauch an 1/2 und neben den Eltern des Erblassers an 2/3 des Nachlasses. Fehlen Abkömmlinge und Eltern des Erblassers, so steht dem überlebenden Ehegatten Nießbrauch am gesamten Nachlass zu.
Für Ausländer ist hervorzuheben, dass auf diese meistens nicht das mallorquinische, sonder das zentralspanische Erbrecht Anwendung findet, da für die Anwendung des Foralrechts eine zivilrechtliche Stellung (sog. Vecindad Civil) gegeben sein muss, die bei Ausländern fast immer fehlt.
Nichtsdestotrotz ist die Gütertrennung der gesetzliche Güterstand auf Mallorca. Fehlt eine Vereinbarung bezüglich des Güterstandes, so stehen dem überlebenden Ehegatten keine weitergehenden Ansprüche aus der Ehe zu.
Fazit: Auch bei kinderlosen deutschen Paaren ist nicht grundsätzlich davon auszugehen, dass der Ehegatte Alleinerbe wird. Dies gilt vor allem, wenn Eltern oder Geschwister des Verstorbenen noch am Leben sind. Es ist daher absolut ratsam und empfehlenswert, ein entsprechendes Tesament aufzusetzen.
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